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Many Lessons - HipHop - Islam - West Africa - (CD)

Pop und Islam - das klingt in westlichen Ohren zunächst wie ein Gegensatz.
Art.Nr.: PIR-00072
Many Lessons - HipHop - Islam - West Africa  - (CD)
Label: Piranha
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In der Tat ist orthodoxen Muslimen die Popkultur grundsätzlich suspekt, speziell aber die amerikanische HipHop-Kultur, die den Materialismus feiert und die Sexualität offen zur Schau stellt. Dennoch sind muslimischer Glauben und moderne Popkultur längst viele neue Symbiosen eingegangen – nicht nur, aber gerade auch in Afrika.

In Westafrika hat der Islam eine ganz eigene Geschichte, die ihn vom Islam in arabischen Ländern oder Südostasien abhebt. Seit dem 12. Jahrhundert fand die Religion des Propheten Mohammed durch arabische Händler und charismatische Prediger südlich der Sahara Verbreitung. Es entstanden islamische Reiche wie das Königreich von Songhai, dessen Hauptstadt Timbuktu im heutigen Mali noch immer einen Eindruck vergangener Größe vermittelt. Religiöse Führer, die so genannten Marabouts”, begründeten große Bruderschaften, die in vielen westafrikanischen Ländern bis heute eine wichtige Rolle spielen.

Westafrika wirkt heute in jeder Hinsicht wie ein kultureller Flickenteppich: In einigen Ländern wie Mali, Gambia oder dem Senegal stellen Muslime die absolute Mehrheit, dort bildet die Religion oft den wichtigsten sozialen Kitt. In anderen Ländern wie Elfenbeinküste oder Benin dagegen sind Muslime nur eine Minderheit unter vielen. Nach Erlangung der Unabhängigkeit gaben sich die meisten Staaten ein säkulares System. Doch angesichts ungelöster Probleme wie Armut, Arbeitslosigkeit und Unterentwicklung hat der Einfluss islamistischer Gruppen auch in Afrika zugenommen.

Musik hat in Afrika schon immer einen starken religiösen Beiklang gehabt. So wundert es nicht, dass viele Musiker religiöse Themen aufgreifen und sich selbst als moralische Autoritäten begreifen. Die Rap-Musik ist – nach Salsa, Funk und Reggae – nur die neueste musikalische Welle, die den ganzen afrikanischen Kontinent erfasst hat. Ihr Erfolg liegt sicher auch darin begründet, dass viele Afrikaner in der Kunst des Sprechgesangs ein Echo ihrer eigenen Traditionen erkennen, sie diesen Musikstil also keineswegs als fremd empfinden. Eine große Rolle für die Ausbreitung der HipHop-Begeisterung spielten aber auch die privaten Radio- und Fernsehsender, deren Zahl seit den Neunzigerjahren in Westafrika sprunghaft zugenommen hat.

Zwar greifen viele afrikanische Rapper auf die üblichen Posen und das typische HipHop-Outfit zurück, das sie von ihren MTV-Vorbildern aus den USA kennen. Baggypants, Basecaps und Basketball-Shirts bilden auch in Afrika die gängige HipHop-Uniform. Musikalisch aber haben sich viele längst von ihren US-Idolen emanzipiert und zu einem eigenen Stil gefunden, in den auch einheimische Traditionen und Instrumente wie Kora oder Djembe einfließen. Das DJing ist eher unterentwickelt, weil sich kaum jemand das teure technische Equipment, die Plattenspieler und Mischpulte, leisten kann.

HipHop gibt der afrikanischen Jugend eine Stimme. Senegal gilt in Westafrika als das Zentrum dieser Bewegung: allein in der Hauptstadt Dakar sollen sich über 3000 Rapbands tummeln. In vielen afrikanischen Ländern ist die Mehrheit der Bevölkerung unter 20 Jahre alt. Viele Rapper greifen bewusst politische Themen auf und äußern sich zu sozialen Problemen. Die Gruppe Silatigui etwa engagiert sich in ihrer Heimat Guinea im Kampf gegen Aids und Jugendgewalt.

Vielen jungen Musikern ist die Religion wichtig: Die Boyband MidNight Shems aus Marokko, die Band Les Escrocs aus Mali oder die Rap-Veteranen Dread Skeezo und Docta aus dem Senegal, sie alle betrachten ihren Glauben als eine wichtige moralische Stütze. Die Rap-Gruppe Silatigui glaubt sogar, aufgrund seiner spirituellen Inhalte sei der afrikanische Rap dem US-HipHop überlegen, weil dieser sich in ihren Augen inzwischen in Vulgarität und Materialismus erschöpft habe. Die aufmüpfige Rap-Combo Keur Gui Kaolack aus dem Senegal oder der franco-Senegalese Rapper General Snipe kritisieren aber auch die traditionellen islamischen Autoritäten in ihren Ländern und prangern deren Korrumpierbarkeit und Machtmissbrauch an.

In Westafrika ist der Islam, wie auch die Rap-Musik, ein Teil der Alltagskultur, der das gesellschaftliche Leben prägt. Beide Sphären durchdringen sich heute gegenseitig. Die Rapperin Sister Fa bringt es in ihrem Stück “Seulebou Yoon” auf den Punkt: “Sie (die Musik) war schon da zur Zeit des Propheten. Die Gläubigen haben sich in der Nacht vereint, um die Lobeshymnen Allahs zu singen”. Deshalb, so ihr Fazit, könnten Musik und Islam keine Gegensätze sein.

(Daniel Bax). Daniel Bax ist Kultur- und Debattenredakteur bei der tageszeitung (taz), er schreibt über Musik, kulturelle Globalisierung und Migration. Er lebt in Berlin und hört Musik aus aller Welt.

KÜNSTLER

1. Bantu feat. Ayuba (Nigeria/Germany)

Der deutsch-nigerianische Rapper Adé Odukoya gehört zu den Pionieren der deutschen HipHop-Szene, hierzulande ist er vor allem als Mitbegründer des afrodeutschen Rapper-Kollektivs “Brothers Keepers” bekannt geworden. “Bantu” hat er sein eigenes Projekt genannt – eine Abkürzung für “Brotherhood Alliance Navigating Towards Uni-ty”.Adewale Ayuba aus Lagos gilt als Star der nigerianischen Fuji-Musik: einer Mischung aus Ragga und Afrobeat, der traditionelle Rhythmen der Yoruba mit afroamerikanischem Funk-Feeling verbindet. In Lagos haben sich die beiden Musiker im Studio getroffen, um das Album “Fuji Satisfaction” aufzunehmen, ein schweißtreibendes Gipfeltreffen aus Afrobeat, Fuji-Sounds und HipHop. Daraus stammt das Stück “Many Lessons”, das mit seinem Muezzin-Ruf als Opening ein Plädoyer für die afrikanische Einheit ist.

2. African Akhlou Bi (Senegal/USA)

Der Name der Band ist arabischen Ursprungs und hat eine religiöse Bedeutung – er verweist auf die Schöpfung des Menschen durch Gott. Hinter Akhlou Bi verbergen sich der MC Rasnarone und der Sänger Sang B, die im gleichen Armenviertel von Senegals Hauptstadt Dakar aufwuchsen wie ihre Kollegen vom Gokh-Bi System. Musikalisch zeigen sich die beiden stärker vom jamaikanischem Dancehall-Reggae mit seinem rauen Toasting-Rufgesang beeinflusst als von klassischem HipHop. Wie Gotteslob und Gesellschaftskritik bei ihnen Hand in Hand gehen, zeigt der Song “Andando”. Er handelt davon, dass sich die Menschen allen Differenzen zum Trotz zusammen raufen sollten. Denn, so heißt es im Refrain: “Gott liebt es, uns zusammen zu sehen.”

3. Keur Gui (Senegal)

“Gangsta Rap” nennen die Jungs von Keur Gui ihre Musik – was vor allem heißen soll, dass sie kein Blatt vor dem Mund nehmen. In “Liye Raam” prangern sie die Verflechtung von Politik und Religion an, die Korrumpierbarkeit religiöser Führer und das Konkurrenzdenken zwischen den religiösen Sekten im Senegal. Mit ihrem Hang zu deutlichen Worten haben sich Keur Gui weit über HipHop-Kreise hinaus großen Respekt erworben. Doch sie haben sich damit nicht nur Freunde gemacht. So wurden sie vor einigen Jahren einmal von einem offenbar aus dem politischen Bereich angeheuerten Schlägertrupp krankenhausreif geschlagen: Ein Vorfall, der zu ihrem Ruf als musikalischer Rebellentrupp beigetragen hat.

4. Sister Fa (Senegal/Germany)

Die Rapperin Sister Fa hat einen rasanten Karrierestart hingelegt. Nach mehreren Beiträgen zu HipHop-Compilations erschien im Juli 2005 im Senegal ihr Debüt-Album “HipHop Yaw La Fal”, zu Deutsch: “Der HipHop hat dich ausgewählt”. Seitdem war sie in diversen Radio- und Fernsehsendungen zu Gast, ihre Videos rotierten im Musikfernsehen, und bei den senegalesischen HipHop-Awards gewann sie einen Preis als “beste Neuentdeckung des Jahres”. Fatou Mandiang Diatta, wie sie mit vollen Namen heißt, stammt aus dem Süden des Senegals, der Region Casamance, und wuchs in einer bürgerlichen Familie auf. Heute lebt sie in Berlin. In ihrer Heimat engagiert sie sich aber weiter gegen die Genitalbeschneidung von Frauen und Mädchen, die im Senegal zwar offiziell verboten, aber traditionell verbreitet ist.
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Titel

01. Many Lessons (Bantu/Ayuba)
02. Andando (African Akhlou Bi)
03. Liye Raam (Keur Gui)
04. Selebou Yoon (Sister Fa
05. Salamalekoum (Les Escrocs)
06. Deadfathers/Fayaale (Rifo & Lamine Kouyatè)
07. Jbal Atlas (Midnight Shems)
08. My Life In The Ghetto (Silatigui)
09. Ya Rassulilah (Backa)
10. Xonet (Docta)
11. Bataxal (General Snipe/Thiam,Kine)
12. In God We Trust (Gokh-Bi-System)
13. Jeuf Jel Leu (Gaston/Niagass)
14. Mighty Intelligence (Dread Skeezo/Dread Maxim)
15. Interview With Sista Fa(Video) (Sister Fa)

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